Seit Monaten wird darüber diskutiert, wie ein neuer Wehrdienst aussehen könnte. Im Sommer hat die Bundesregierung ein Gesetz dazu auf den Weg gebracht, das inzwischen den Bundestag erreicht hat. Aber an diesem Punkt haben sich Union und SPD verhakt. CDU und CSU wollen mehr verpflichtende Elemente, dem SPD-Verteidigungsminister ist eine flächendeckende Musterung besonders wichtig. Um welche Konzepte geht es und was würden sie konkret bedeuten? Antworten auf wichtige Fragen.
Was steht im Gesetzentwurf zum Wehrdienst?
Ab dem nächsten Jahr sollen dem Konzept aus dem Verteidigungsministerium zufolge junge Leute nach ihrem 18. Geburtstag Post von der Bundeswehr bekommen. Geplant ist ein digitaler Fragebogen dazu, wer grundsätzlich zum Dienst an der Waffe bereit und dafür auch fit genug wäre. Männer müssen, Frauen können antworten, so das Konzept.
Die Bundeswehr würde anfangs gezielt Bewerberinnen und Bewerber zur Musterung einladen. Ab Mitte 2027 sollen alle jungen Männer eines Jahrgangs gemustert werden – und zwar verpflichtend. Die Entscheidung für oder gegen den Wehrdienst bleibt aber nach diesem Modell erst einmal freiwillig. Der Dienst soll sechs bis 23 Monate dauern und neben einer militärischen Ausbildung auch finanzielle Vorteile bieten: Rekrutinnen und Rekruten sollen 2.300 Euro netto im Monat bekommen. Versprochen werden auch Sportcamps und Zuschüsse zum Führerschein.
Worüber wird im Bundestag gerade verhandelt?
Ein Verhandlungsteam von Unions- und SPD-Abgeordneten hat einen eigenen Vorschlag gemacht. Auch er sieht vor, dass zunächst ein Fragebogen verschickt wird. Neu an dem Konzept ist, dass junge Männer sofort zur Musterung müssten. Und dass sie dafür ausgelost würden. Kritiker sehen darin eine "Wehrdienstlotterie", was die Fachpolitiker der Koalition zurückweisen. Aus ihrer Sicht wäre ein Losverfahren fairer als eine gezielte Auswahl durch Behörden oder Bundeswehr.
In einem zweiten Schritt würde eine "Bedarfswehrpflicht" greifen. Für den Fall, dass die Rekrutierungsziele auf freiwilliger Basis nicht erreicht werden. CDU und CSU pochen auf einen solchen Plan B. Junge Männer würden dann zum Wehrdienst verpflichtet, wiederum nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das Konzept in dieser Form umgesetzt wird.
Welcher Kompromiss zum Wehrdienst zeichnet sich ab?
Der geplante Fragebogen ist unstrittig und wird wohl auch im Gesetz stehen. Außerdem wird in Berlin angenommen, dass Boris Pistorius nicht von seinem Plan für eine flächendeckende Musterung abrückt. Denn der Verteidigungsminister erhofft sich davon einen umfassenden Überblick darüber, wie viele Geeignete im Ernstfall für den Wehrdienst zur Verfügung stünden.
Die Union besteht auf weitere verpflichtende Elemente ("Bedarfswehrpflicht"). Das wurde auch bei einer Anhörung von Fachleuten zu Wochenbeginn deutlich: CDU und CSU hatten Experten eingeladen, die einen rein freiwilligen Wehrdienst kritisch sehen – und dies bei dem Termin auch deutlich gemacht haben.
Was bedeutet "Musterung" eigentlich?
Wer bei der Bundeswehr Dienst an der Waffe leistet, muss vorher für tauglich befunden worden sein. Deshalb ist vor Dienstantritt ein Musterungsverfahren vorgesehen. Dabei werden potenzielle Wehrdienstleistende oder Berufssoldaten genau untersucht – im Hinblick auf ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten.
Augen, Ohren, Größe, Körpergewicht, Lungenfunktion, etwaige Rückenleiden – solche Dinge können dabei eine Rolle spielen. Auf der Grundlage der Musterung bekommen die Untersuchten einen Tauglichkeitsgrad. Dafür gibt es mehrere Stufen: von "voll verwendungsfähig" bis "nicht wehrdienstfähig".
Kreiswehrersatzämter werden zu "Karrierecentern"
Als die allgemeine Wehrpflicht noch in Kraft war, haben junge Männer rund um den 18. Geburtstag eine Musterungsaufforderung bekommen. Wer etwa in den 90er Jahren zur Schule gegangen ist, wird sich noch erinnern. Damals waren die Kreiswehrersatzämter zuständig, aber sie wurden nach dem Aussetzen der Wehrpflicht abgeschafft.
Mittlerweile sind "Karrierecenter" der Bundeswehr für die Auswahl von (freiwillig) Wehrdienstleistenden zuständig. Es gibt sie bundesweit. Der bayerische Standort ist in München, in der Nähe des Olympiaparks. Für den neuen Wehrdienst sind bundesweite Musterungszentren im Gespräch, zentral gelegen und möglichst "freundlich" gestaltet.
Die zweiteilige Kontrovers-Story zur 70-jährigen Geschichte der Bundeswehr:
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