An Putin scheiden sich in der AfD die Geister: "Mir persönlich hat er nichts getan", sagte Parteichef Tino Chrupalla kürzlich bei Lanz. Von Russland gehe derzeit "keine Gefahr aus". Sätze, die intern auf entschiedenen Widerspruch stoßen - vor allem bei Verteidigungspolitikern der AfD im Westen. Besonders deutlich äußerte sich der bayerische Abgeordnete Rainer Kraft in der neurechten Wochenzeitung "Junge Freiheit". "Das Konzept der Deeskalation" sei "vollumfänglich durch Russlands Größenwahn gescheitert".
Weidel: "Man kann auch gut zu Hause bleiben"
Die Reise mehrerer AfD-Abgeordneter zu einer Konferenz ins russische Sotschi stand deshalb unter keinem guten Stern. Gerold Otten, ebenfalls aus dem Freistaat, sagte dem Blatt: "Aufgabe der AfD sollte es sein, für einen Dialog mit Russland zu werben, allerdings nicht durch Reisen nach Russland zu Veranstaltungen, die durch die russische Seite ständig zu Propagandazwecken missbraucht werden!" Man könne auch gut zu Hause bleiben und parlamentarische Arbeit machen, meinte Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel im radikal rechten "Compact TV".
Der Ost-West-Konflikt in der AfD ist in vollem Gange – mit den beiden Parteichefs als Kontrahenten. Während der Sachse Chrupalla Rückendeckung in den neuen Ländern erfährt, will Weidel die Russlandreisen eindämmen. Im Februar soll die Angelegenheit Thema auf der Fraktionsklausur werden. Weidel fährt einen anderen außenpolitischen Kurs als ihr Kompagnon. Sie sieht große Chancen in den Kontakten ihrer Partei zur MAGA-Bewegung in den USA.
Wollen wir zu Putin gehen – oder doch lieber zu Trump?
Philipp Adorf, Experte auf dem Gebiet des Rechtspopulismus und der amerikanischen extremen Rechten sagt im Gespräch mit BR24: "Weil die AfD innenpolitisch weitgehend isoliert ist", seien die USA für sie "ein enorm wichtiger Akteur, selbst wenn es auch innerhalb der AfD amerikakritische oder vielleicht gar antiamerikanische Stimmen gibt." Damit ist der vor allem die in Ostdeutschland starke völkische Strömung der AfD gemeint. Ihre Anhänger wollen auf Russland zugehen, um Deutschland aus der westlichen Wertegemeinschaft zu lösen, zu der man auch das libertäre Trump-Umfeld rechnet.
In Washington schätzt man die Verbindungen zur AfD durchaus. Schon während Trumps erster Amtszeit sei es den amerikanischen Rechtspopulisten darum gegangen, "eine nationalpopulistische Internationale aufzubauen", sagt der Politikwissenschaftler und USA-Experte Thomas Jäger im BR24-Interview. "Und das ist noch immer ein Motiv, das die MAGA-Bewegung umtreibt."
Experte: AfD hat "meinungsbildende Kraft" in den USA
Für Jäger ist die "meinungsbildende Kraft der AfD und ihres Umfelds" in den USA keineswegs gering. Politiker wie Joachim Paul oder die Rechtsaußen-Aktivistin Naomi Seibt prägen laut Jäger sehr wohl "das Bild Deutschlands in den Vereinigten Staaten mit". Seibt wird in der MAGA-Bewegung herumgereicht. Paul wurde direkt bei der US-Regierung vorstellig – sozusagen als lebender "Beleg" für die rechtspopulistische Falschbehauptung von der unterdrückten Meinungsfreiheit in Deutschland.
In Ludwigshafen wurde Paul wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue von der Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen. Jäger sieht nun die Gefahr, dass die USA Deutschland nicht mehr als Verbündeten sehen, sondern als einen Staat hinstellen, "der die Demokratie abschaffen will".
Rechtspopulismus schlägt Realpolitik
Hinter vorgehaltener Hand beklagen AfD-Bundestagsabgeordnete die alles andere als konsistente Außenpolitik der Partei. Laut Politikwissenschaftler Adorf kommt hinzu: Viele in der AfD erkennen durchaus, dass "die Politik der Großmächte Vereinigte Staaten und Russland beträchtliche Nachteile für Deutschland hat". Man gebe aber der Bundesregierung die Schuld an diesem Problem. Das rechtspopulistische "Narrativ des Elitenversagens in der deutschen Politik" sei mächtiger als jede realpolitische Erwägung. Das ist der Kitt, der die Strömungen in der AfD zusammenhält.
Chrupalla gegen Weidel – der Ost-West-Konflikt wird die AfD noch länger beschäftigen. Die umtriebige Weidel ist im Vergleich zum eher inaktiven Chrupalla das bekanntere Gesicht der AfD. Dass beide einander nicht gerade mit Sympathie begegnen, ist kein Geheimnis mehr und dürfte kaum zur Befriedung beitragen. Doch bis zu den Wahlen nächstes Jahr in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wird das Duo zusammenhalten müssen. Ostdeutschland ist Chrupallas Domäne.
Zunächst aber sollen im Februar die Auslandsreisen der AfD-Politiker ein enges Korsett bekommen – das allein könnte für neuen Zündstoff sorgen.
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