Abtreibung, Migration, Frieden und die Gender-Debatte – ob Aktivisten oder Politiker, viele berufen sich auf die Bibel. Immer wieder tauchen Bibelzitate oder christliche Bezüge in politischen Diskussionen auf. Giorgia Meloni beschwört in Rom "Gott, Familie und Vaterland", Viktor Orbán spricht von einem "christlichen Europa", das es vor Migranten zu schützen gelte. Besonders häufig greifen jedoch US-amerikanische Politiker auf christliche Motive zurück.
Trump präsentiert sich als biblischer Friedensstifter
US-Präsident Donald Trump und sein Vize J. D. Vance inszenieren sich als Verteidiger christlicher Werte und spicken ihre Reden mit Bibelzitaten oder Anleihen aus der Heiligen Schrift. In seiner Rede vor der israelischen Knesset dankte Trump dem "Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs" und sprach von einem Tag des "erneuerten Glaubens".
Schon 2023 stellte er sich als von Gott auserwählter Friedensstifter dar, der den Krieg zwischen der Ukraine und Russland beenden könne: "Gesegnet sind die Friedensstifter", sagte er mit Bezug auf die sogenannten Seligpreisungen im Matthäusevangelium – um gleich hinzuzufügen: "Ich bin euer Friedensstifter." Nach dem missglückten Attentat auf ihn erklärte Trump, Gott habe ihn gerettet, damit er die USA retten könne.
"Andockpunkt in einem allgemeinen Kulturkampf"
Doch nicht nur Berufspolitiker nutzen biblische Motive. Der US-amerikanische Tech-Milliardär Peter Thiel, einer der wichtigsten Geldgeber der Republikaner, hält Vorträge über den Antichristen und die Apokalypse, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse.
Der Bonner Politikwissenschaftler Philipp Adorf, der zur christlichen Rechten in den USA forscht, stellt fest: "Das Christentum wird als Andockpunkt in einem allgemeinen Kulturkampf genutzt." Die Republikaner und ihr Umfeld argumentierten, die USA seien eine christliche Nation, und Angriffe auf das Christentum seien Angriffe auf die amerikanische Kultur selbst.
Sonderausstellung im Bibelmuseum in Nürnberg
Dass Bibelverse für politische Zwecke instrumentalisiert werden, ist allerdings nichts Neues. Der Geschichte dieser Strategie widmet sich das Bibelmuseum Bayern in Nürnberg mit einer Sonderausstellung.
Der theologische Referent des Museums, Daniel Schubach, erklärt: Seit sich die Christen von einer verfolgten Minderheit zu einer politisch etablierten Gruppe mit entsprechendem Einfluss entwickelt hätten, werde die Bibel genutzt, um Politik zu machen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn.
"Gott mit uns" als Schlachtruf in mehreren Kriegen
Manche biblischen Motive haben dabei eine besonders dunkle Karriere hinter sich. "Gott mit uns" etwa wurde nicht nur im Dreißigjährigen Krieg als Schlachtruf verwendet: Auch während des Ersten und Zweiten Weltkriegs trugen deutsche Soldaten Gürtelschnallen mit dieser Inschrift.
In der Bibel taucht das Motiv unter anderem im Buch Jesaja auf und steht für die Verheißung göttlicher Nähe. Schubach sagt, der Zweck sei gewesen, zu zeigen, dass man auf der "richtigen Seite" kämpfe. Einige dieser Gürtelschnallen sind in der Ausstellung im Nürnberger Bibelmuseum zu sehen.
Auf Wahlplakaten von AfD oder FPÖ finden sich Bibelzitate
Die Schau zeigt jedoch nicht nur historische Beispiele. Auch aktuelle politische Bezüge werden beleuchtet: Auf Wahlplakaten der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich oder der AfD in Deutschland finden sich Bibelzitate. So verwendet die AfD etwa ein Jesuswort aus dem Johannesevangelium – "Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe." – und setzt darüber in großen Buchstaben den Satz: "Gott will es", ein Schlachtruf aus der Zeit der Kreuzzüge.
Am anderen Ende des politischen Spektrums druckt etwa die Linke "Jesus würde links wählen" auf ihre Plakate. Klimaaktivisten wiederum vergleichen ihr Engagement mit der biblischen Geschichte von David und Goliat, in der der künftige König Israels mit Gottes Hilfe seinen übermächtigen Gegner Goliat besiegt.
"Die meisten Rechten sind alles andere als bibelfest"
Die Instrumentalisierung der Bibel geht über einzelne Zitate und Anleihen hinaus. In Deutschland beruft sich etwa die AfD generell auf das Christentum – vor allem, um Abgrenzung zu schaffen, beobachtet Politikwissenschaftler Philipp Adorf: "Es ist ein Mittel, um zwischen der Ingroup und der Outgroup zu unterscheiden. Die AfD sagt: Deutschland hat eine christliche Tradition, Europa hat eine christliche Tradition – und andere Gruppen, die jetzt ins Land kommen, stehen dem entgegen."
Zwischen den USA und Deutschland sieht Adorf trotzdem einen Unterschied: Hierzulande sei die Allianz zwischen Religion und Politik weit weniger ausgeprägt als in den Vereinigten Staaten – und die meisten Rechten seien zudem alles andere als bibelfest.
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