Viele Accounts polarisieren auf X mit Inhalten zu europäischer Innenpolitik - aber sitzen ganz woanders.
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Viele Accounts polarisieren auf X mit Inhalten zu europäischer Innenpolitik - aber sitzen ganz woanders.
Bildrechte: picture alliance / NurPhoto | Nikolas Kokovlis
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Viele Accounts polarisieren auf X mit Inhalten zu europäischer Innenpolitik - aber sitzen ganz woanders.

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"Sitz in Westasien": Neue X-Funktion enttarnt Troll-Accounts

"Sitz in Westasien": Neue X-Funktion enttarnt Troll-Accounts

Trump-Unterstützer aus Indien, EU-Kritiker aus Russland: Eine neue Transparenzfunktion auf X zeigt, dass viele Politik-Accounts nicht dort sind, wo sie vorgeben zu sein. Dahinter steckt ein lukratives Geschäftsmodell.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Laura Krause postet auf X über "Nachrichten aus Europa und der Welt" - oder behauptet es zumindest. Das X-Profil ist voll mit aufmerksamkeitsheischenden Kurzvideos ohne Informationsgehalt: von Babytieren und Geraune über Genmanipulation bis zur Verunglimpfung von Flüchtlingen und Ausländern.

Das Profil gibt an, in Berlin zu sitzen. Doch seit X eine neue Transparenzfunktion eingeführt hat, lässt sich auf Krauses Profil etwas Interessantes ablesen: Der Account wird offenbar aus Westasien betrieben. Laura Krause ist damit einer unter zahllosen reichweitenstarken Politik-Accounts auf X, die nicht dort sitzen, wo sie vorgeben zu sein.

Neue Funktion zeigt Nutzer-Standorte

X zeigt seit Kurzem bei jedem Profil unter dem Tab "Über dieses Konto" an, von wo aus ein Nutzer die Plattform verwendet. Laut X-Produktchef Nikita Bier sollen die Standortdaten zu 99 Prozent genau sein. Seit der Einführung haben Nutzer zahlreiche Accounts identifiziert, deren tatsächlicher Standort nicht mit der eigenen Inszenierung übereinstimmt. Viele dieser Profile haben Hunderttausende Follower und erreichen Millionen von Nutzern - in der Regel mit politisch polarisierenden Inhalten.

Trump-Fans aus Indien, EU-Kritiker aus den USA

Oft geben sich die Accounts als engagierte Bürger aus, die sich zu politischen Themen "ihres" Landes äußern. Besonders häufig sind Pro-Trump-Accounts mit enormer Reichweite: Ein Account namens "TRUMP_ARMY_" mit über einer halben Million Followern wird laut X aus Indien betrieben, ein anderer mit über einer Million Followern sitzt in Nigeria. Doch auch Anti-Trump-Accounts sind betroffen: Ein Profil mit 52.000 Followern, das sich als "stolzer Demokrat" bezeichnete, wurde in Kenia betrieben und nach Bekanntwerden gelöscht.

Des Weiteren tummeln sich auf der Plattform vermeintliche EU-kritische Ungarn, die nicht in Ungarn sind, angebliche schottische Separatisten, die aus dem Iran auf ihr X-Profil zugreifen, und ein Barron Trump, der weder Barron Trump ist noch in den USA lebt - sondern laut Profilhinweis aus Osteuropa außerhalb der EU auf die Plattform zugreift.

Monetarisierung als möglicher Anreiz

Hinter den irreführenden Standortangaben dürften unterschiedliche Motive stecken. Zahlreiche Accounts dürften im Zusammenhang mit russischen Trollnetzwerken und anderen Propaganda-Operationen stehen. Aber in vielen Fällen ist das Posten von polarisierendem Content zu europäischer oder US-amerikanischer Innenpolitik schlicht ein lukratives Geschäftsmodell. Denn X bezahlt Accounts ab einer bestimmten Reichweite fürs Posten.

Um Zugang zum Monetarisierungsprogramm zu erhalten, müssen Nutzer mehr als fünf Millionen Impressionen innerhalb von drei Monaten erreichen. Mit politisch extremen Inhalten, die die Emotionen menschlicher Nutzer hochkochen lassen, kann man auf diese Weise schnell ein paar hundert Euro im Monat verdienen - gutes Geld in Ländern mit eher niedrigen Durchschnittseinkommen.

Ein hausgemachtes Problem?

Die neue Transparenzfunktion wird von vielen Nutzern auf X als positiver Schritt bewertet. Auch wenn sich die Funktion durch virtuelle private Netzwerke (VPNs) austricksen lässt und es vermutlich nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die meisten Fake-Accounts angepasst haben, kann die neue Funktion dennoch einen Beitrag gegen Online-Propaganda leisten.

Das Problem ist jedoch teilweise hausgemacht: Durch Monetarisierung von Inhalten und die Politisierung der Plattform unter Elon Musk erschafft X selbst finanzielle Anreize für die Verbreitung von Polarisierung und Desinformation. Ein erster Schritt ist die neue Standortanzeige dennoch – Nutzer sollten sie kennen.

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