Der Nürnberger Justin Engel sorgt seit einiger Zeit immer wieder für Einträge in die Tennis-Geschichtsbücher: Er war der jüngste Viertelfinalist der Geschichte des ATP-Turniers in Stuttgart, der jüngste Viertelfinalist auf Rasen seit Boris Becker 1985 in Wimbledon. Er krönte sich im November in Almaty/Kasachstan zum jüngsten Matchwinner auf der Tour seit French-Open-Sieger Carlos Alcaraz 2020. Und nebenbei ist er nach Rafael Nadal der zweite 17-Jährige, der auf allen Belägen - Sand, Hartplatz und Rasen - ein ATP-Spiel gewinnen konnte.
In Tokio kommt nun ein weiterer Meilenstein hinzu: Engel ist der zweitjüngste Spieler, der jemals für die deutsche Nationalmannschaft für den Davis Cup nominiert wurde. Jünger war bisher nur ein gewisser Boris Becker, mit dem Engel durch seinen zunehmenden Erfolg immer häufiger verglichen wird.
Engel über Davis-Cup-Nominierung: "Traum geht in Erfüllung"
Engel, der vom Ex-Profi Philipp Kohlschreiber trainiert wird, wurde nachnominiert, weil sich Daniel Altmaier bei den US Open eine Verletzung zugezogen hatte. Über den Moment, als er erfuhr, dass er ins Team nachrücken würde, sagt Engel im Vorfeld: "Es war ein unglaublicher Moment für mich, als ich den Anruf bekommen habe, und ich konnte es erst einmal gar nicht glauben. Mit der Nominierung geht ein Traum in Erfüllung. Ich wollte schon immer für Deutschland spielen."
Seine Teamkollegen, die in Japan aufschlagen, sind alle Ü30. Mit Jan-Lennard Struff hat Engel sogar seinen ehemaligen Babysitter mit im Team. "Der Struffi ist ein guter Freund", sagt Engel.
Bundestrainer Kohlmann setzt Zeichen für neue Generation
Teamchef Kohlmann wollte bewusst ein "wichtiges Zeichen für die nächste Generation im deutschen Tennis setzen", wie er selbst sagte. Engel ist das beste Beispiel für diese neue und hoffnungsvolle Generation, auch wenn er zum Auftakt am Freitag nur Zuschauer sein wird. Struff und Yannick Hanfmann werden die Einzel bestreiten.
Unangenehmes Aufnahmeritual gehört dazu
Doch es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der 17-Jährige auch Einsätze bekommt: Durch die Matcherfolge auf der ATP-Tour schnellte er im Ranking von Platz 398 auf 219 hoch. Doch Sternchen-Status hat er unter seinen Teamkollegen in Tokio keinen - von dem traditionellen Aufnahmeritual kann auch er sich nicht drücken: "Singen, tanzen, ein Gedicht aufsagen? Wir überlegen uns was. Es wird was Unangenehmes sein", erklären die Doppel-Spezialisten Tim Pütz und Kevin Krawietz.
Und auch die ein oder andere Spitze muss das Nesthäkchen aushalten: Bei einem Teamausflug in Tokio in eine Galerie kam Engel in Kontakt mit moderner Kunst, sagte Krawietz: "Das bildet weiter - und das ist auch für Justin wichtig, so erweitert er seinen Horizont in jungen Jahren." Eine schlagfertige Antwort blieb Engel schuldig. Noch dominieren eben die Routiniers - auch, was die Schlagfertigkeit angeht.
Zverev begeistert von Engel: "Schön zu sehen"
Doch die Anlagen für eine große Karriere sind vorhanden, da sind sich die Experten einig. Auch Zverev ist begeistert von dem Youngster: "Er spielt sehr, sehr gut, sehr aggressiv. Es ist schön zu sehen", sagte Zverev beim Turnier in Stuttgart, wo der 17-jährige Engel wie Zverev überraschend im Viertelfinale stand: "Ich glaube, er entwickelt sich auch weiter. Das ist enorm wichtig in diesem Alter." Der Nürnberger sei "auf einem guten Weg".
Austausch mit Routiniers Struff, Hanfmann und Co.
In Tokio wolle Engel vor allem "die Atmosphäre aufsaugen", sagt er. Er wolle von den erfahrenen Spielern lernen und bereit sein, wenn er gebraucht wird. Engel ist sich seiner Ersatz-Rolle bewusst, er könne es "kaum erwarten, das Team anzufeuern". Im Training versteckt er sein immenses Potenzial aber nicht, "es ist schön zu sehen, dass etwas im deutschen Tennis nachkommt", sagte Pütz und ergänzte: "Ich hoffe, die Lücke wird schnell geschlossen."
Transparenzhinweis: In einer früheren Fassung des Texts hieß es fälschlicherweise, Justin Engel hätte sich zum jüngsten Turniersieger gekürt. Korrekt ist: Er hat sich zum jüngsten Matchwinner auf der Tour gekürt. Das haben wir am 13. September korrigiert.