Trotz, Trauer, Trübsal – mit diesen drei T's lässt sich die Gefühlslage der Belegschaft des Automobilzulieferers ZF in Schweinfurt beschreiben. 4.500 Beschäftigte haben heute Vormittag vor ihrem Werk in Schweinfurt für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Bei vielen Beschäftigten werden Erinnerungen an das Jahr 1993 wach, als die Großindustrie in Schweinfurt in eine schwere Krise rutsche und insgesamt 13.000 Menschen ihre Arbeit verloren.
Gebanntes Warten auf die Entscheidung des Aufsichtsrats
Der Automobil-Zulieferer ZF hat über zehn Milliarden Euro Schulden und beabsichtigt deshalb einen großangelegten Stellenabbau. Für die Belegschaft der bayerischen Standorte in Schweinfurt, Auerbach, Bayreuth, Nürnberg und Thyrnau im Landkreis Passau sind es deshalb unruhige Tage.
Heute und morgen schauen die bayerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit großer Sorge nach Friedrichshafen am Bodensee: Am Hauptsitz des finanziell angeschlagenen Unternehmens findet eine wichtige Sitzung des Aufsichtsrats statt. Der größte Standort von ZF in Bayern ist im unterfränkischen Schweinfurt. 8.600 Menschen arbeiten hier.
Problem bei ZF: Elektromobilität macht Verluste
Es geht um die Zukunft der Antriebs- und Elektromobilitäts-Sparte, die sogenannte "Division E". Dieser Bereich würde Verluste machen, heißt es. Bei der Sitzung geht es um tausende Arbeitsplätze bei ZF. Eine Lösung könnte der Einstieg eines Partners, eine Ausgliederung der Sparte samt anschließendem Verkauf, oder – im schlimmsten Fall – gar eine komplette Schließung des Geschäftsbereichs sein.
Laut IG Metall ist die "Division E" das "Herzstück von ZF". Die Sparte umfasse die komplette Antriebstechnologie für E-Mobilität, Hybride und Verbrennungsmotoren. Allein in Bayern sind in dem Geschäftsbereich 9.000 Menschen bei ZF beschäftigt. Das entspricht etwa der Hälfte aller ZF-Mitarbeitenden im Freistaat.
Ganze Standorte von ZF in Bayern in Gefahr
Die IG Metall sieht deshalb die kompletten Standorte in Auerbach, Bayreuth, Nürnberg und Thyrnau im Landkreis Passau in Gefahr. Die Gewerkschaft spricht von "Kahlschlag-Plänen". Horst Ott, der Chef der IG Metall in Bayern, gibt sich kämpferisch: "Wenn die ZF-Bosse ihre Kahlschlag-Pläne durchziehen, riskieren sie einen Großkonflikt mit der IG Metall und den Beschäftigten."
Rund 9.000 Menschen arbeiten am größten Standort in Schweinfurt
Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall in Schweinfurt befürchten, dass die Produktion von Elektromotoren hier langfristig nicht sicher ist. Rund 5.900 Jobs stehen hier auf dem Spiel. Laut dem Betriebsrat gibt ZF dort aktuell nur Sicherheiten bis 2031.
Schweinfurt: Keine positiven Signale
Teile der Belegschaft haben ZF in Schweinfurt schon verlassen, zum Beispiel über Abfindungen und früheren Ruhestand. Das Unternehmen hatte vorgeschlagen, die Arbeitszeit weiter von 35 auf 32,5 Stunden pro Woche zu senken. Doch Betriebsrat und IG Metall waren dagegen. Die Begründung: Es gebe von ZF keine positiven Signale zur Zukunft der Sparte Elektromobilität.
Den ZF-Standort Schweinfurt gibt es – unter verschiedenen Vorgängereigentümern – seit fast 130 Jahren. Bereits gestern gab es schlechte Nachrichten aus der unterfränkischen Industrie-Stadt, auch bei SKF stehen langfristig 1.300 Arbeitsplätze auf der Kippe.
Sorgen an anderen Standorten in Bayern
In Nürnberg arbeiten rund 1.000 Menschen bei ZF. Bis zum Jahr 2030 sollen es nur noch 300 sein. Weil die Gießerei in Nürnberg von ihren Fixkosten "aufgefressen" würde, hatten Arbeitnehmer-Vertreter und IG Metall ein Alternativkonzept vorgelegt. Das Ziel: Die Gießerei profitabel fortführen. Dafür bräuchte es laut Gewerkschafter Roland Wehrer auch "Bereitschaft und Mut".
In Auerbach in der Oberpfalz könnte es demnach rund 1.500 Jobs, in Thyrnau rund 650 und in Bayreuth rund 250 Arbeitsplätze betreffen. ZF Standorte in Bayern gibt es noch in Passau, Ingolstadt und Aschaffenburg. Schon im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass ZF bundesweit an all seinen Standorten in Summe bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze abbauen will.
Im Video: "Kahlschlag-Pläne" bei ZF: Tausende Jobs in Bayern in Gefahr
"Kahlschlag-Pläne" bei ZF: Tausende Jobs in Bayern in Gefahr
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