Ein Bauarbeiter arbeitet mit einer Schaufel in der Sonne (von unten fotografiert).
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Die Zahl der Hitzetage nimmt in Deutschland zu. Kann man von anderen Ländern lernen? (Symbolbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Florian Gaertner
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Andere Länder als Hitzevorbilder: "Siesta" in Deutschland?

Andere Länder als Hitzevorbilder: "Siesta" in Deutschland?

Wenn es in Deutschland mehr heiße Tage gibt: Was können wir dann von südlicheren Ländern lernen? Beim Bauen, Arbeiten und Leben gibt es bereits so manche Erkenntnis. Das Lernen hat aber Einschränkungen.

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Haben wir in Deutschland bald einen Sommer wie in südlicheren Ländern? Auch wenn dieser Sommer zwischenzeitlich regnerisch war: Wir nähern uns temperaturmäßig an. Die Höchsttemperaturen in den Sommermonaten bewegten sich in den vergangenen Jahren immer öfter in einem Bereich, der für Länder wie Spanien lange Zeit die Norm darstellte.

Grafik: Nähern sich Deutschlands Sommertemperaturen denen in Spanien an?

BR24-User diskutieren darüber, was man von den Erfahrungen anderer Länder mit Hitze lernen kann. So kommentierte zum Beispiel Nutzer "Slime": "In Spanien oder Portugal erlebt und erwartet man noch höhere Temperaturen – aber die Leute dort arbeiten anders, bewegen sich anders, leben anders. (…) Lasst uns von den Südländern lernen!"

Lernen mit Einschränkungen

Prof. Susanne Moebus vom Urban Public Health Fund findet es prinzipiell sinnvoll, von südeuropäischen Ländern im Umgang mit der Hitze zu lernen. "Hitze ist ja nichts Neues. Wie man mit Hitze umgeht, zeigen andere Länder."

Sowohl Moebus als auch Martin Herrmann, Vorsitzender der Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG), sehen hier aber Einschränkungen und verweisen darauf, dass nicht jedes Vorgehen der Südeuropäer einfach übernommen werden kann, um auftretende Probleme hierzulande zu lösen. Herrmann stellt klar, dass einige Innovationen der Forschung "alte Tricks" der mit Hitze erfahrenen Länder abgelöst haben.

Er stellt besonders den internationalen Austausch der Wissenschaft in den Vordergrund. Dennoch sei in Ländern wie Spanien und Italien der Hitzeschutz mehr in der Kultur verankert. Ein Beispiel ist das Bauwesen. Kleinere Fenster, dickere Fensterläden und Gebäude sowie Dächer in Farben, die weniger Hitze anziehen: Das sieht man dort öfter. Das sei aber auch nicht immer die beste Lösung. Innovationen wie Passivhäuser sind auch dort nicht Tradition. Sowohl Moebus als auch Herrmann unterstreichen, dass viele Erkenntnisse vorliegen, wie man hitzeresistenter bauen kann. Beide beklagen allerdings, dass in Deutschland politisch zu wenig Unterstützung kommt.

So gibt es laut Moebus zu wenig Verankerung von Hitzeschutz in der Baugesetzgebung und oftmals würde der kurzfristige Profit die mittel- und langfristige Nachhaltigkeit ausstechen. "Ganz klar: Hitzeschutz muss in Schlüsselgesetzen wie Baugesetzen berücksichtigt werden", sagt auch Herrmann.

Grafik: Immer mehr Hitzetage auch in Deutschland

Auch heiße Tage, mit Höchsttemperaturen von 30 Grad und mehr, die in Spanien im Sommer zur Normalität gehören, haben wir hierzulande immer mehr:

"Siesta" muss übersetzt werden

In der Arbeitswelt sehen die beiden Experten vor allem den Bedarf, bei Hitzetagen die Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Das sei ein Umdenken, was in südlicheren Ländern schon stattgefunden habe.

Das prominente Schlagwort "Siesta" – also eine mehrstündige Pause, in der aufgrund der hohen Mittagshitze nicht gearbeitet, sondern geruht wird – ordnet Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, so ein: "Die vbw lehnt eine Siesta wie in südlichen Ländern klar ab. Die Unternehmen waren und sind auf die Herausforderungen von Hitze am Arbeitsplatz auch im Zuge des Klimawandels gut vorbereitet." Er fügt an, dass Arbeit an Maschinen und Schichtmodelle beeinträchtigt würden und der Wirtschaftsstandort Deutschland durch eine mehrstündige Pause weiter geschwächt werden würde.

Herrmann sieht die klassische Siesta auch anderswo auf dem Rückzug: "In den meisten Arbeitswelten wird keine Siesta mehr gemacht. Das ist mehr eine romantische Vorstellung." Aber wenn man die Siesta "übersetze", als "intelligente Unterbrechung des normalen Musters" in der Arbeitswelt während Hitzetagen, dann wäre es wünschenswert, dies zu übernehmen und von anderen Ländern zu lernen.

Wahrnehmung entwickeln, Sommer genießen

Moebus und Herrmann wünschen sich auch hier eine stärkere Verankerung im Recht. Brossardt hingegen findet: "Der Arbeits- und Gesundheitsschutz in Deutschland ist bereits äußerst detailliert geregelt. Weitere gesetzliche, regulatorische Maßnahmen erhöhen lediglich den bürokratischen Aufwand und zahlen nicht auf den Arbeitsschutz ein."

Neben Arbeit und Bau sieht Herrmann im Sozialen eine natürliche Verschiebung in der Kultur, die schon zuvor unter anderem in Südeuropa zu beobachten war. Man könne länger draußen sitzen, die Öffnungszeiten von Gastronomie und anderen Gewerken passten sich dem an. Generell stellt er fest: "Der heiße Sommer ist ja auch was Schönes. Es ist mir ganz wichtig, dass wir keine Spaßverderber für den Sommer sind. (…) Diese Wahrnehmungsfähigkeit, 'jetzt wird's gefährlicher, was ist da zu tun', die müssen wir entwickeln, um den Sommer genießen zu können."

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