Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat mit seinem Vorstoß, Krisenvorsorge in den Schulalltag einzubinden, eine bundesweite Diskussion ausgelöst. Dabei hat er insbesondere auch eine mögliche kriegerische Bedrohung Deutschlands im Blick, auf die Schulen reagieren sollen. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus: Manche Politiker unterstützen den Vorstoß, andere sprechen von Panikmache.
Doppelstunde zur Krisen- und Kriegsvorbereitung
Dobrindts konkrete Idee: In der Schule sollte jedes Jahr eine Doppelstunde über Krisenvorsorge und zu möglichen Kriegsgefahren gesprochen werden. Die Schülermitverantwortung, kurz SMV, am städtischen Heinrich-Heine-Gymnasium in München-Neuperlach hat diesen Vorstoß diskutiert. Manche Schülerinnen und Schüler halten eine solche Doppelstunde für unnötig und befürchten, dass sie nicht ernst genommen würde. Andere halten es für eine gute Idee: "Vor allem dann, wenn man wirklich was Praktisches daraus mitnimmt", sagt Schülersprecherin Pauline Pfaudler.
In der Schule ist es bereits üblich, dass Fluchtwege abgegangen werden. Zwei Mal pro Jahr üben die Kinder auch die Evakuierung der Schule. Den Kriegsfall aber haben sie noch nie besprochen. Schulleiter Marcus Sillober stellt sich schützend vor seine Schülerinnen und Schüler und möchte sie mit solch schwierigen Themen nicht noch mehr verunsichern: "Kinder sind sensibel und wachsen gerade in einer Welt auf, die bedrohlich wirkt."
Krisenvorsorge in den Familien
Der Schulleiter ist generell vorsichtig, wenn aus der Politik Ideen kommen, die Lehrkräfte möglichst umgehend lösen sollen. Für ihn ist Dobrindts Vorschlag ein Schnellschuss, der zwar inhaltlich überlegenswert, aber bisher in kein pädagogisches Gesamtkonzept eingebunden sei: "Ich bin skeptisch, was so eine Doppelstunde ohne irgendeine Anbindung nachhaltig bringen soll."
Bundesinnenminister Dobrindt glaubt, dass Kinder von der Doppelstunde profitieren würden. Idealerweise teilen sie ihr Wissen dann zu Hause: "Kinder sind wichtige Wissensträger in die Familien hinein", so der Minister. Dagegen sieht Pädagoge Marcus Sillober nicht die Kinder, sondern die Eltern in der Pflicht. Erwachsene sollen beispielsweise Vorräte kaufen und dafür sorgen, dass genug Wasser im Keller steht, nicht die Kinder: "Das ist eine Verkehrung der Verantwortlichkeiten in den Familien."
Projekttag als Vorsorge vor Krisen und Kriegen
Was nicht heißt, dass Kinder vom Thema Krieg generell ferngehalten werden sollten. Mitarbeitende vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kurz BBK, erstellen Unterrichtsmaterialien, die Lehrkräfte gerne nutzen. Pressesprecherin Marianne Suntrup: "Wir sind die zuständige Stelle für den Zivilschutz und denken bei allen Materialien, die wir anbieten, natürlich auch immer kriegerische Gefahren mit." Schülerinnen und Schüler lernen beispielweise, dass man bei einem Brand die Fenster schließt, um das Feuer nicht weiter anzufachen oder dass man sich im Keller am besten vor Druckwellen einer Explosion schützen kann.
Denkbar wäre aus Schulsicht, einen ausführlichen Projekttag anzubieten, der möglicherweise am selben Tag wie der bundesweite Warntag im September stattfindet. Das BBK könnte dazu Materialien liefern, die an schulische Bedürfnisse angepasst sind. Ein solcher Projekttag würde vermutlich länger im Gedächtnis der Schülerinnen und Schüler bleiben als die diskutierte Doppelstunde Krisenvorsorge pro Schuljahr.
Krisenvorsorge sollte praxisnah sein
Auch ein Projekttag müsste nach Meinung vieler Schülerinnen und Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums in München möglichst praxisnah sein. Sie sagen, dass andere Angebote wie regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse oder Selbstverteidigungskurse im Schulalltag sinnvoller seien, "weil man mit dem Gelernten mehr anfangen kann und solche Situationen im Alltag deutlich häufiger vorkommen".
Fazit: Schulleitung und SMV des Münchner Gymnasiums sehen eine Doppelstunde zum Krisen- und Kriegsfall kritisch. Sie könnte Kinder verunsichern. Denkbar wäre aus ihrer Sicht ein praxisnahes Angebot, das in ein größeres pädagogisches Konzept eingebettet ist.
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