Ein Weinberg in der Dunkelheit, erhellt von Scheinwerfern. Im Steilhang stehen warm bekleidete Lesehelfer zwischen den Reben.
Ein Weinberg in der Dunkelheit, erhellt von Scheinwerfern. Im Steilhang stehen warm bekleidete Lesehelfer zwischen den Reben.
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Die Winzerfamilie Pfister in Retzstadt bei der Eisweinlese 2025.
Bildrechte: BR / Pirmin Breninek
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Die Winzerfamilie Pfister in Retzstadt bei der Eisweinlese 2025.

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Eiskalt ins Glas: Mainfranken startet Eiswein-Lese 2025

Eiskalt ins Glas: Mainfranken startet Eiswein-Lese 2025

Bei fast minus zehn Grad starteten Winzer in Retzstadt (Landkreis Main-Spessart) die Eiswein-Lese – ein riskantes Unterfangen, bei dem Geduld, Fingerspitzengefühl und ein Quäntchen Glück über den süßen Erfolg entscheiden.

Über dieses Thema berichtet: Bayern-1-Nachrichten am .

Es ist sechs Uhr morgens und noch dunkel. Der Atem steht als Nebel in der kalten Luft. Unter den Trauben knirscht der Frost, jede Beere wie ein kleiner Kristall. Für die Familie Pfister in Retzstadt im Landkreis Main-Spessart beginnt ein besonderer Tag: die erste Eiswein-Lese seit 2016. Fast minus zehn Grad Celsius zeigt das Thermometer – ideale Bedingungen, um Trauben für das süße Premiumprodukt zu ernten. "Bei minus zehn Grad könnte man sich zwar anderes Schönes vorstellen, aber jetzt im Moment ist das wirklich klasse", sagt Winzer Uwe Pfister. Eine Stirnlampe wirft einen Lichtstrahl von seiner Mütze auf die Rebzeilen.

Viel Arbeit für 50 Liter Wein

Die reguläre Weinlese in Franken endete bereits vor zwei Monaten. Doch Eiswein verlangt Geduld und ein Stück Wagemut. Die Trauben bleiben an den Reben hängen, oft monatelang, bis die Natur die nötige Kälte liefert. Erst dann kann aus den gefrorenen Beeren ein besonders konzentrierter, süßer Most gewonnen werden. Für die Pfisters bedeutet das: etwa 300 bis 400 Kilo Silvaner-Trauben in kleinen Eimern von den Reben zu lösen. Heraus kommen rund 50 Liter Eiswein, die später in kleinen Flaschen für rund 50 Euro oder mehr verkauft werden.

Eiswein – eine Rarität mit Regeln

Eiswein ist ein Luxusprodukt, das nach deutschem Weingesetz nur aus Trauben entstehen darf, die gefroren gelesen und gepresst werden. Die EU schreibt dabei mindestens minus sieben Grad Celsius für die Ernte vor. Nur dann kann die Bezeichnung "Eiswein" auf dem Etikett stehen. Der Wein wird vor allem als Dessertwein oder zum Abschluss einer Weinprobe serviert und gilt als Rarität.

Die Produktion ist für die Winzer riskant. Bleibt der Herbst zu mild, gefrieren die Trauben nicht und die Lese kann ausfallen. Schlimmer noch: Tiere, Regen oder Schimmelpilz können die Trauben verderben. Deshalb wagen nur wenige Winzer in Unterfranken das Experiment, Trauben über den regulären Erntezeitraum hinaus hängenzulassen.

Klimawandel: Zukünftig "Aurum" statt Eiswein?

Der Klimawandel erschwert die Eisweinproduktion. Milde Winterphasen bedeuten, dass die nötigen Minusgrade nicht zuverlässig erreicht werden. Deshalb forscht die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim seit über zehn Jahren an Alternativen.

Eine Lösung sind Trauben, die nach der regulären Lese kontrolliert eingetrocknet werden. Dabei verlieren die Beeren etwa die Hälfte ihres Gewichts, das Mostgewicht verdoppelt sich. Silvaner habe sich dafür als besonders geeignet erwiesen: Die dicke Beerenhaut schützt vor Schimmel und Fäulnis. Anders als beim Eiswein sind die Winzer hier nicht vom Wetter abhängig. Die Trocknung erfolgt auf Matten in der Sonne oder in gut belüfteten Räumen.

Das Ergebnis ist ein fruchtiger Süßwein mit goldgelber Farbe, den die LWG "Aurum" nennt – lateinisch für "Gold". Diese Methode erinnert an Süßweine aus Südeuropa: Vin de Paille in Frankreich, Vin Santo in Italien oder Samos in Griechenland. Gemäß einer neuen EU-Verordnung dürfen solche Weine in Deutschland nun offiziell hergestellt werden, müssen jedoch als "Deutscher Wein aus eingetrockneten Trauben" gekennzeichnet werden.

Winzer brauchen Geduld und Fingerspitzengefühl

Für die Pfisters in Retzstadt und andere Winzer in Franken bleibt Eiswein ein Produkt, das Zeit, Geduld und ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl verlangt. Jeder Frostgrad, jede intakte Beere zählt. Winzer Uwe Pfister jedenfalls ist mit der Ausbeute zufrieden: "Ich glaube, dass wir es wirklich gut erwischt haben."

Eine gefrorene Silvanerrebe wird abgeschnitten
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Bei fast minus zehn Grad haben die Winzer im Landkreis Main-Spessart gefrorene Trauben geerntet.

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