Nach den teils chaotischen Zuständen auf dem Wiesn-Festgelände am vergangenen Samstag laufen nun die Nachbesprechungen zwischen Festleitung, Sicherheitsbehörden, Wiesn-Wirten und Beschickern. Die zentrale Frage dürfte sein: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass so große Menschenmassen gleichzeitig auf dem Festgelände waren?
Suche nach Fehlern drängt: Ein Wiesn-Wochenende steht noch aus
Ergebnisse der Besprechungen wollten die Verantwortlichen noch nicht mitteilen. Nur so viel: Die "Aufarbeitung der Abläufe" am Samstag habe "höchste Priorität", teilte die Festleitung mit. Man möge noch etwas Geduld haben, bis erste Maßnahmen kommuniziert würden, wie man "künftig derartige Menschenansammlungen vermeidet".
Die Suche nach Fehlern drängt, denn das nächste Wochenende dürfte - unter anderem wegen des Feiertags am Freitag - erneut viele Gäste anlocken. Die Fraktion aus CSU und Freien Wählern im Münchner Stadtrat stellte am Montag eine offizielle Anfrage an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Wenn Besucher von Todesangst berichten, ist eindeutig etwas schiefgelaufen", so der Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl. Deshalb bitte man den Oberbürgermeister, die derzeit offensichtlichen Fragen auch offiziell zu beantworten. Eine ähnliche Forderung stellt auch die Fraktion ÖDP/München-Liste: Das Kreisverwaltungsreferat und das Referat für Arbeit und Wirtschaft sollten bei der Vollversammlung des Stadtrats am Mittwoch offenlegen, welche Lehren daraus gezogen werden. "München wirbt aktuell für eine Olympiabewerbung, da die Stadt 'Großveranstaltungen könne'", sagte Fraktionsvorsitzender Tobias Ruff. "Seit Samstag muss man fragen: 'Kann München überhaupt noch Wiesn?'"
Was war passiert? So lief der Samstag ab
Am Samstagnachmittag waren auf der Theresienwiese derart viele Besucher unterwegs, dass der Koordinierungskreis mit den Sicherheitsbehörden beschlossen hatte, die Eingänge zum Oktoberfest zu sperren. In einzelnen Straßen sei nichts mehr vorwärtsgegangen, teilte ein Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums dem BR mit. Menschen verfielen teils in Panik, riefen um Hilfe und wählten den Notruf. "Es waren einfach zu viele", so der Polizeisprecher weiter.
Nach Angaben von Wiesn-Chef Christian Scharpf (SPD) waren zu diesem Zeitpunkt 300.000 Menschen gleichzeitig auf dem Festgelände – das entspreche der Einwohnerzahl von Augsburg. Zum Vergleich: An guten Tagen sind rund 500.000 Menschen auf dem Gelände – allerdings über den ganzen Tag verteilt.
Oktoberfest: Unser BreznBot beantwortet Eure Fragen zur Wiesn
Wichtige Infos fehlten bei Lautsprecher-Durchsagen
Nach diesen Ereignissen sind noch einige Fragen offen: Unklar ist nach wie vor, warum nach der Sperrung der Eingänge zunächst eine Durchsage abgespielt wurde, in der die Überfüllung nicht als Grund genannt wurde. Es hieß lediglich, dass man das Gelände verlassen und nicht mehr in die Zelte gehen solle. Der U-Bahnhof sei geschlossen. Viele Oktoberfest-Besucher bekamen darauf Angst, weil die Situation für sie unklar war. Wiesn-Chef Scharpf hatte bereits am Sonntagvormittag eingeräumt, dass das mit der Durchsage so nicht hätten passieren dürfen.
Verkehrsexperte: "Da hätte Schlimmeres passieren können"
Für den Verkehrsexperten Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen war das ein zentraler Fehler. Besonders wichtig seien klare Durchsagen an die Menge, die die Gefahrenlage eindeutig darstellten: "Wenn man das im Unklaren lässt, dann denken die Menschen natürlich, es könnte jetzt ein Bombenanschlag sein oder andere Ursachen haben." So bekämen die Menschen das Gefühl, ihnen würden Informationen vorenthalten, erklärt der Verkehrswissenschaftler. Er kritisiert aber auch, dass bei der Überwachung des Geländes keine modernen Systeme wie KI eingesetzt wurden: "Die können schon automatisch erkennen: Hier könnte gleich was passieren."
Insgesamt sei der Samstag noch glimpflich ausgegangen: "Da hätte etwas viel Schlimmeres passieren können", so Schreckenberg, "und ich hoffe, dass man daraus lernt."
Tipps: Ruhig bleiben und Kinder aus der Menge heben
Für Menschen, die in eine solche Situation geraten, hat Schreckenberg klare Handlungsempfehlungen: "Man sollte wirklich ruhig bleiben" und schwächere Personen wie beispielsweise Kinder aus der Menge herausheben. Wichtig sei auch, keinen zusätzlichen Druck zu erzeugen oder andere zu emotionalisieren. "Das Schlimmste, was dann passieren kann, ist, dass Menschen hinfallen", warnt der Verkehrsexperte. So entstünden Situationen, bei denen es zu großen Schadensfällen kommen könne.
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