Der Ärger rund um Frauke Brosius-Gersdorf erreicht nun auch den Freistaat. Auf der Kandidatur der umstrittenen Juristin als Richterin am Bundesverfassungsgericht liegt kein Segen, sagte Bayerns Ministerpräsident Söder nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Deshalb solle die SPD überlegen, ob sie daran festhalten will. Das Bundesverfassungsgericht sei weiterhin handlungsfähig, die SPD könne sich daher bis Herbst Zeit lassen, um einen zweiten Vorschlag zu präsentieren. "Da ist mit dem Kopf durch die Wand nicht der richtige Weg", so Söder.
Gescheiterte Richterwahl belastet die Koalition
Vergangenen Freitag war die Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht überraschend verschoben worden, weil Unions-Abgeordnete die von der SPD vorgeschlagene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für nicht wählbar hielten. Sie ist wegen ihrer liberalen Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen umstritten.
Insgesamt will Söder den Vorgang aber nicht überbewerten: "Das war kein Ruhmesblatt, aber man sollte das Ganze auch nicht erhöhen." Der Zustand der Koalition sei nach wie vor gut. Es sei nichts Ungewöhnliches, dass auch mal Kandidaten nicht akzeptiert werden.
SPD will an Kandidatin festhalten
In der SPD wird das Vorgehen der Union als Affront gesehen. Der bayerische Fraktionschef Holger Grießhammer schreibt auf BR24-Anfrage: "Der Vorschlag von Frau Brosius-Gersdorf wurde im Richterausschuss mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Natürlich stellt sich jetzt die Frage, wie gültig derartige Absprachen sind." An der vorgeschlagenen Kandidatin will die SPD aktuell festhalten. Ihre fachliche Qualifikation stehe in keiner Weise infrage, so Grieshammer. Auch Brosius-Gersdorf selbst will weiter kandidieren. In der SPD-Bundestagsfraktion hieß es, sie wolle sich am Dienstag noch einmal schriftlich erklären, aber nicht zurückziehen.
Unmut zwischen Union und SPD und Kritik an Jens Spahn
Indirekt kritisiert Grieshammer CDU-Fraktionschef Jens Spahn: "Die Union sollte wissen, welches Führungspersonal diese Koalition und dieses Land nach vorne bringt." Spahn wird vorgeworfen, er habe nicht die nötige Mehrheit für die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin organisiert. Söder hingegen gab heute Spahn Rückendeckung.
Spahn selbst räumte am Montag Fehler im Umgang mit der geplatzten Wahl ein. Zugleich äußert er in einem Brief an seine Fraktion die Überzeugung, mit dem Koalitionspartner SPD zu einer Lösung zu kommen. Eilbedarf sieht der CDU-Politiker in der Frage nicht. "Der letzte Freitag war für die Koalition ein schwerer Tag. Da gibt es nichts schönzureden", räumt Spahn zu Beginn des Briefes ein. "Auch wenn eine vertagte Richterwahl sicher keine Staatskrise ist."
Bayerische Grüne: Juristin Opfer einer "rechten Schmutzkampagne"
Der bayerische Regierungspartner der CSU, die Freien Wähler, sieht den Eklat um die Richterwahl kritisch. Fraktionschef Florian Streibl appelliert: "Jetzt ist die Unionsführung gefordert, eine Lösung zu finden, welche der Institution des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird."
Die Landesvorsitzende der Grünen in Bayern, Eva Lettenbauer, findet scharfe Worte für das Vorgehen der Union. Sie habe zugelassen und sogar in Teilen befeuert, dass Brosius-Gersdorf Opfer einer "rechten Verleumdungskampagne" geworden sei.
Die AfD im Landtag hingegen begrüßt, dass die Wahl gescheitert ist. "In der Bevölkerung gibt es eine breite Mehrheit für konservative Positionen. Diese muss sich auch in der Politik abbilden", so Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner.
Söder will anderes Verfahren für Richter-Wahlausschuss
CSU-Chef Söder fordert für die Zukunft weniger polarisierende Kandidaten. Außerdem solle geprüft werden, ob im Bundestag ein Beschluss auch mit einfacher Mehrheit möglich sei. "Das Hin und Her mit den Sperrminoritäten von links- und rechtsaußen führt dazu, dass es zum Teil zu kaum vertretbaren politischen Kompromissen und Konsensverrenkungen kommt", so Söder.
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