In Istanbul haben Hunderttausende Menschen für die Freilassung von Ekrem Imamoglu, des inhaftierten Oberbürgermeisters von der oppositionellen CHP, protestiert und den Rücktritt von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gefordert. "Tayyip istifa!" (Tayyip tritt zurück) skandierten die Menschen und forderten "Gerechtigkeit". Viele Demonstranten schwenkten türkische Flaggen und Fahnen der CHP. Auch vor dem offiziellen Gelände drängten sich Zehntausende, wie Drohnenaufnahmen im Sender "Halk TV" zeigten.
"Imamoglu ist nicht allein"
Am Morgen waren die Demonstrierenden auf Fähren, gechartert von der CHP, über den Bosporus zum Versammlungsort im asiatischen Stadtteil Maltepe gefahren. Auch andere Parteien wie die Türkische Arbeiterpartei (TIP) und die Linke Partei (Sol Parti) schlossen sich den Protesten an. Auf Plakaten stand "Imamoglu ist nicht allein". Die Veranstaltung ist auch der Wahlkampfauftakt für die Präsidentenwahl 2028. Die CHP hatte Imamoglu trotz seiner Inhaftierung im Silivri-Gefängnis am Montag zum Kandidaten für die Wahl nominiert.
Luftaufnahme der Proteste in Istanbul
"Kampf für unsere Kinder, für die Türkei"
Zu Beginn der Veranstaltung kam Imamoglus Familie auf die Bühne. Seine Frau Dilek forderte die Menge auf, weiterzukämpfen, "nicht für Ekrem, sondern für unsere Kinder, für die Türkei". Morgen endet der Fastenmonat Ramadan, dann beginnt das Zuckerfest. "Doch morgen wird der Feiertag von Millionen Familien vom Schmerz der Armut, Ungerechtigkeit und Verzweiflung überschattet sein", kritisierte Dilek Imamoglu. "Auch unsere Familie wird diesen Feiertag ohne ihren Vater verbringen."
Imamoglu zeigt sich in KI-Botschaft kämpferisch
Der abgesetzte Oberbürgermeister wandte sich in einer KI-generierten Videonachricht aus dem Gefängnis an die Demonstranten: Sie basiert auf einem Text von Imamoglu, den er in der Haft geschrieben hat. Er sei stolz auf die Jugend, die demonstriere, und habe keine Angst. CHP-Chef Özgür Özel rief den Menschen zu: "Sie sind heute hier, um die Zukunft der Türkei zu ergreifen und unsere Zukunft und Demokratie zu verteidigen."
Imamoglu war am 19. März festgenommen worden. Am Sonntag hatte ein Gericht wegen Korruptionsvorwürfen Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet, wenig später wurde er als Oberbürgermeister suspendiert. Der beliebte Oppositionspolitiker gilt als wichtigster Rivale Erdogans.
Regelmäßige Proteste angekündigt
Özel sagte der französischen Zeitung "Le Monde", dass es jetzt regelmäßige Proteste geben solle. "Jeden Samstag in einer türkischen Stadt" und jeden Mittwoch in Istanbul. Denn sollten die Proteste jetzt nicht fortgesetzt werden, werde es bald keine Wahlen mehr in der Türkei geben, warnte Özel.
"Bleib standhaft, mein Sohn"
Imamoglus Festnahme hatte die größten Demonstrationen seit den Gezi-Protesten von 2013 ausgelöst. Die Polizei nahm bisher fast 2.000 Menschen fest und ging teils mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Unter den Protestierenden sind auch viele junge Menschen. Die Generation Z wird aber auch von älteren Menschen unterstützt. In den sozialen Medien sind Mütter zu sehen, die ihren festgenommenen Söhnen zurufen: "Bleib standhaft, mein Sohn."
Mit Informationen von dpa und AFP
Post auf X: Festgenommene steigen aus einem Bus, Angehörige sprechen ihnen Mut zu
Im Video: Hunderttausende demonstrieren in Istanbul für Imamoglu
Hunderttausende demonstrieren in Istanbul für die Freilassung des beliebten Oberbürgermeisters von Istanbul
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!