Der Weg zu einem Koalitionsvertrag kann unterschiedlich lang sein und sich über Monate hinziehen. Ein konkretes, festes Verfahren gibt es nicht. Dieses Mal soll es schnell gehen, versprach CDU-Chef Friedrich Merz nach der Bundestagswahl. Wobei zuletzt viele Unions- und SPD-Politiker hinter den ursprünglich genannten Termin zur Regierungsbildung "rund um Ostern" ein Fragezeichen setzten.
- Zum Artikel: "Koalitionsverhandlungen: Söder macht Druck, SPD bremst"
Was ist ein Koalitionsvertrag?
Ein Koalitionsvertrag ist das schriftlich festgehaltene Ergebnis von Koalitionsverhandlungen. Manche bezeichnen ihn als "politische Geschäftsgrundlage" für die Regierungskoalition, also für die Parteien, die die Regierung bilden. Der frühere SPD-Fraktionschef und Koalitionsverhandler Rolf Mützenich sagt im BR24-Interview: "Wie im privaten Leben macht man einen Vertrag auf Zeit, was man sich gegenseitig zumuten, aber auch, was man gegenseitig erreichen möchte." Für ihn ist der Koalitionsvertrag mehr als nur eine Geschäftsgrundlage. In den einzelnen Sätzen gebe es deutliche Hinweise darauf, "wie man die Lösung eines politischen Problems, einer Herausforderung, angehen will", so der SPD-Politiker.
In der Regel enthält der Koalitionsvertrag eine Einleitung, einzelne Kapitel zu inhaltlichen Themen und endet mit dem Teil über die Arbeitsweise der Regierung und Fraktion. Darin wird die Verteilung der Ressorts, also der Ministerien, auf die Koalitionsparteien festgelegt. Genauso wie die Zusammenarbeit im Kabinett und im Bundestag. So verständigen sich die Koalitionspartner darauf, im Parlament stets einheitlich abzustimmen.
Wie muss der Vertrag aussehen?
Klar ist, ein Koalitionsvertrag muss keine feste Form haben. Er kann mündlich oder schriftlich geschlossen werden. In Textform ist die Sprache oft nüchtern und bürokratisch. Begriffe, die im Zentrum politischer Debatten stehen, sind besonders oft zu lesen. Zum Beispiel im Koalitionsvertrag der Ampel 2021 kommt das Wort "Klimaschutz" 51 Mal vor.
Ein Koalitionsvertrag ist keine Voraussetzung für eine Regierung und auch nicht rechtlich bindend und einklagbar. Es gab in der Vergangenheit auch Koalitionen, die ohne einen solchen Vertrag ausgekommen sind. Heute sei allerdings mehr als früher "der Wunsch gegeben, dass die Öffentlichkeit viel stärker Bescheid weiß", erklärt Mützenich. Das spricht für einen schriftlichen Vertrag, der Medien und Interessengruppen vorgelegt werden kann.
Wie entsteht ein Koalitionsvertrag?
Zu Beginn der Koalitionsgespräche gibt es meist unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das Land in den nächsten Jahren politisch geführt und verändert werden soll. Die eine Partei will Steuern erhöhen, die andere Steuern senken. In den Verhandlungen sollen die inhaltlichen Differenzen ausgeräumt werden, um danach ohne Grundsatzdiskussionen regieren zu können. Oft laufen sie nach dem Prinzip "Teppichhandel". Beispiel: Die SPD kommt der Union beim Thema Migration entgegen, dafür gibt die Union im Bereich der Wirtschaftspolitik nach.
Auch für diese Gespräche gibt es keine festgeschriebenen Vorgaben. Laut Mützenich, der für die SPD bei mehreren Koalitionsverhandlungen dabei war, gibt es dafür kein Patentrezept. Es sei gut, Geduld und Ausdauer zu haben sowie sich nicht provozieren zu lassen. Neben den teils harten Verhandlungen innerhalb der Teams, kommt viel Druck von außen – von Parteimitgliedern, Verbänden, Interessengruppen. Sie alle versuchen direkt oder über Medien ihre Forderungen in einem Koalitionsvertrag unterzubringen. "Man muss schon eine klare Haltung im Kopf haben, um sich hier nicht überrumpeln zu lassen", sagt Mützenich.
Was ist das Ziel des Vertrags?
Im besten Fall sind in den Koalitionsgesprächen die Streitpunkte zwischen den Parteien ausgeräumt worden. Die Zauberformel dafür: Kompromisse schließen. Die Parteien haben sich auf Schwerpunkte und Ziele für ihr gemeinsames Regierungshandeln geeinigt und sie im Koalitionsvertrag festgehalten.
Der Vertrag ist meist ein Spiegelbild des Wahlergebnisses und trägt die Handschrift des größeren Koalitionspartners – auch wenn die Verhandlungen davor in der Regel auf Augenhöhe geführt werden.
Ein Koalitionsvertrag dient zugleich der Disziplinierung. Es wird erwartet, dass sich die Regierungsmitglieder und Fraktionen an ihn halten.
Was braucht es neben dem Vertrag?
Wichtig ist vor allem Vertrauen. Dies könne sich aber nur mit der Zeit entwickeln, sagt SPD-Politiker Mützenich. Heißt: Zum Zeitpunkt der Koalitionsgespräche und des Koalitionsvertrags ist das Vertrauen meist erst im Entstehen. Sicher sei jedoch: "Vertrauen ist immens wichtig, später im Regierungshandeln." Mit Blick auf die Ampel-Regierung und deren Bruch sagt er BR24: "Vielleicht war das Vertrauen nie richtig da."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!