Ob Sandro Wagner in Augsburg, Miroslav Klose in Nürnberg oder Sabrina Wittmann in Ingolstadt: Sie alle haben durch Siege am vergangenen Wochenende ihren Job als Trainer vorerst gerettet. Im Fall von Klose kostete der Sieg des 1. FC Nürnberg seinem Düsseldorfer Gegenüber Daniel Thioune aber den Trainerposten.
Insgesamt gab es schon acht Freistellungen in den ersten drei Ligen. Die einzige Trainerentlassung bei den bayerischen Profiklubs ist derzeit Patrick Glöckner, der beim TSV 1860 München beurlaubt wurde.
Trainerwechsel für "neuen Impuls"
Wenn der sportliche Erfolg ausbleibt, muss oft der Trainer gehen. Dabei kann der das Geschehen auf dem Rasen nur noch bedingt beeinflussen. Schließlich spielt er - anders als seine Profis - nicht selbst mit.
Vizemeister Leverkusen trennte sich in dieser Saison von Erik ten Hag schon nach dem zweiten Spieltag. Der erst im Sommer zur Bayer-Elf gestoßene Niederländer sorgte damit für ein Novum in der Bundesliga. Doch wie viel bringen solche Trainerwechsel wirklich, von denen sich die Verantwortlichen gerne "frischen Wind" oder einen "neuen Impuls" erhoffen?
Frühere Studie erkannte keinen Trainereffekt
Diese Frage beschäftigt Sportwissenschaftler seit Jahrzehnten. Eine Studie der Universität Münster von 2011 hatte 154 Trainerentlassungen zwischen 1963 und 2009 untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass der Austausch eines Übungsleiters keinen nennenswerten Einfluss auf die Ergebnisse des Teams hat.
"Das war ein erstes Ergebnis, das zeigt, wenn man die Anzahl der Spiele vor der Trainerentlassung mit der nach der Trainerentlassung vergleicht, dass sich der Punkteschnitt nicht wesentlich vergrößert hat", erklärt Professor Daniel Memmert im Gespräch mit BR24Sport. Memmert leitet das Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Studie liefert neue Erkenntnisse: Bringt ein Trainerwechsel doch etwas?
Eine Erhebung der Universität Zürich von 2021 betrachtete Trainerwechsel etwas spezifischer. Denn oftmals fällt ein Trainer ausbleibenden Ergebnissen zum Opfer, obwohl die Spielweise der Mannschaft eigentlich stimmt. Deshalb rückten die Wissenschaftler den sogenannten Expected-Goals-Wert (xGoals) stärker in den Fokus. Dieser beschreibt, wie viele Tore ein Team eigentlich erzielen hätte müssen. Liegt dieser sehr hoch, so erarbeitet sich die Mannschaft offensichtlich hochkarätige Chancen, die sie aber einfach nicht zu nutzen scheint.
Einen Trainer mit schlechtem x-Goals-Wert zu entlassen, müsse folglich sinnvoller sein als einen mit gutem, so die Annahme der Forscher, die diese Hypothese bestätigen konnten. "Sie konnten zeigen, dass eine Mannschaft, bei der es eine weise Entscheidung war, aufgrund niedriger xGoals den Trainer zu entlassen, sie nach der Trainerentlassung tatsächlich 0,23 Punkte mehr gewonnen hat", erklärt Memmert. Dies bedeute eine Leistungssteigerung von 120 Prozent. Anders verhielt es sich bei Mannschaften, die ihren Übungsleiter trotz hohen Wertes beurlaubten. Bei ihnen stellte sich keine Verbesserung ein.
Ist der Expected-Goals-Wert aussagekräftig genug?
Im Fall des 1. FC Nürnberg weist Miroslav Kloses Mannschaft in dieser Saison einen relativ hohen xGoals-Wert auf. Der Club belegt Platz acht in der xGoals-Tabelle der 2. Bundesliga. In der realen Tabelle rangiert er derzeit aber nur auf Platz 14. Nach Logik der Schweizer Forscher wäre eine Klose-Entlassung also der falsche Weg gewesen.
Doch Forscher Memmert äußert Zweifel, ob ein einziger Wert aussagekräftig genug ist. "Das ist ein Parameter, der gerade sehr en vogue ist, wo man aber auch klar sagen muss, dass die Datenbasis für diesen Wert einfach nur bei 0,1 Prozent liegt. Das heißt, man nimmt nur ganz geringe Informationen aus dem Spiel, um diesen Wert zu berechnen", kritisiert der Wissenschaftler. Dazu komme, dass 42 Prozent der Tore durch Zusatzfaktoren beeinflusst würden.
Ein Trainereffekt ist nach Ansicht der Wissenschaftler also kaum erkennbar. Und trotzdem werden Entlassungen wie die von Patrick Glöckner beim TSV 1860 München auch in Zukunft wohl keine Seltenheit bleiben.
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