Bayern gilt als Zecken-Risikogebiet: Die Parasiten übertragen immer öfter auch die sogenannte Borreliose. Das zuständige Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen (LGL) meldet erneut einen Anstieg der Borreliose-Fälle: Bis Anfang Oktober wurden gut 4.800 Fälle der Infektionskrankheit registriert. Das sind 1.300 mehr Fälle als noch im vergangenen Jahr.
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Ein Borreliose-Fall: Kind hat rot-bläuliche Schwellung am Ohr
Grausig sei ein Zeckenstich, sagt BR-Kollegin Ulrike Schweizer aus der Nähe von Regensburg. Zecken sind in ihrer Familie immer ein Thema. Sie wohnen am Rand eines Waldes. Die Mutter sucht jeden Abend ihre Kinder nach Zecken ab. Bei ihrer jüngsten Tochter findet sie im Zeitraum von März bis Juni fast täglich eine Zecke. Bisher war sie immer gelassen, weil sie und ihre Familie gegen FSME geimpft sind.
Dann aber hatte ihre sechsjährige Tochter Johanna merkwürdige Schmerzen am rechten Ohr. "Die Muschel am oberen Rand war rötlich-blau und geschwollen. Als das nach einer Woche nicht besser wurde, sind wir zu unserem Kinderarzt", erzählt Ulrike Schweizer. Die Diagnose: Borreliose. Im schlimmsten Fall hätte es laut Arzt zu einer Gesichtslähmung kommen können.
Mutter Ulrike: Die Sorge vor einer erneuten Infektion bleibt
Die Schwellung am Ohr ist ein sogenanntes Lymphozytom, ein frühes Hautsymptom von Borreliose. Es tritt vor allem bei Kindern auf, am Ohr oder bei Jungs an den Hoden. Im Fall der kleinen Tochter von Ulrike Schweizer half Antibiotikum. Die Schwellung hielt aber noch wochenlang an. Die Angst bleibe, erzählt die Mutter. Denn wirklich schützen kann man sich vor Borreliose bisher nicht. "Diese absolute Sicherheit, dass die Bakterien nach der Behandlung weg sind, die hast du nicht." Auch ein Blutbild helfe dabei nicht.
Innerhalb eines Monats knapp 650 neue Borreliose-Fälle in Bayern
Die Zahl der Borreliose-Patienten in Bayern hat zugenommen. Allein von September auf Oktober wurden knapp 650 neue Fälle registriert. Wobei Deutschlands Borrelien-Fachmann Volker Fingerle vielmehr von einer "Schwankung" spricht. Er leitet das Nationale Referenzzentrum für Borrelien in Oberschleißheim bei München.
Neben Forschung und Diagnostik beraten er und sein Team Ärzte und Patienten. "Die Fälle nehmen nicht immer mehr zu, sondern sie haben eine bestimmte Schwankungsbreite", erklärt der Mikrobiologe. Die Zahlen zeigen es: 2024 gab es 4.054 Fälle – 2023 waren es 3.282 Fälle – 2022 waren es 3.637 Fälle – 2021 waren es 3.980 Fälle – 2020 waren es 6.244 Fälle.
Experte: 2025 neuer Rekord an Borreliose-Fällen?
Dieses Jahr werde die Schwankung an die obere Grenze gehen, sagt der Borreliose-Experte. Vielleicht gibt es einen neuen Rekord. "Wenn wir dann 10.000 Fälle im Oktober gemeldet haben, dann ist ein Punkt da, wo man gucken muss, woran das liegt", sagt Volker Fingerle.
Die Gründe für so viele Borrelien-Fälle in Bayern seien noch nicht ganz klar. Mögliche Faktoren: Klimawandel begünstigt Zeckenpopulation, der Mensch verändert die Umwelt, wie viele Wirtstiere wie Kleinnager und Vögel gibt es noch?
Das Wichtigste: Möglichst schnell Körper nach Zecken absuchen
Um sich und die Kinder vor Zeckenstichen zu schützen, gelten nach wie vor die üblichen Tipps: hohes Gras meiden, lange Kleidung tragen und – das Wichtigste: Körper möglichst schnell absuchen, empfiehlt Volker Fingerle. Denn: "Es dauert mindestens mehrere Stunden, bis eine Borrelie übertragen werden kann. Das heißt: Je frühzeitiger man die herausmacht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch keine Borrelie übertragen worden ist." Und: Je länger die Zecke saugt, umso mehr Borrelien überträgt sie auch.
Borreliose-Impfung in Arbeit
Neben einer FSME-Impfung soll es in ein bis zwei Jahren auch eine Borreliose-Impfung geben. "Die Impfung befindet sich gerade in der Phase 3, also in der Endphase. Die Ergebnisse sind noch nicht bekannt", erklärt Mikrobiologe Volker Fingerle. Eine Impfung wäre aus seiner Sicht dann der beste Schutz gegen Borreliose.
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