Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Pascal Siggelkow vom ARD-Faktenfinder.
Darum geht's:
- Mehrere der Aussagen von Donald Trump in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung – etwa zu Klimawandel, Migration und internationalen Konflikten – sind falsch oder unbelegt.
- Falsch ist beispielsweise die Behauptung, der Bürgermeister von London wolle die Scharia einführen.
- Auch seine Behauptung, Deutschland plane wieder in die Atomkraft einzusteigen, stimmt nicht.
Mit seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York wandte sich US-Präsident Donald Trump an Staats- und Regierungschefs aus aller Welt – und traf dabei viele irreführende und Falschbehauptungen. So erklärte er, Millionen Migrantenkinder seien “verloren gegangen”, und stellte sich als Friedensstifter in internationalen Konflikten dar.
Kein Wiedereinstieg in die Atomkraft
Trump sprach über die deutsche Energiepolitik. Er behauptete, die Bundesregierung würde wieder zu fossilen Brennstoffen und Atomkraft zurückkehren. Aber das ist größtenteils falsch. Im April 2023 wurden die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Obwohl das Thema immer wieder politisch diskutiert wird, ist bislang kein Wiedereinstieg geplant.
Richtig ist zwar, dass Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche die Subventionen für die Energiewende kürzen will. Allerdings sagte sie auch, dass Deutschland weiterhin das Ziel verfolge, bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Laut dem Energiemonitor der “Zeit” stammt derzeit 56 Prozent des erzeugten Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen (Stand September 2025).
Falschbehauptungen zum Klimawandel
In seiner Rede bestritt Trump zudem die Existenz des menschengemachten Klimawandels. Er bezeichnete ihn als “größten Betrug, der jemals an der Welt begangen wurde” und sprach von einem “grünen Schwindel”. Fakt ist jedoch, dass sich die Erde in den vergangenen Jahrzehnten deutlich und in hohem Tempo erwärmt hat. So liegt die globale Durchschnittstemperatur heute bereits 1,6 Grad Celsius über dem Niveau der vorindustriellen Zeit (Stand 2024).
Forscher sind sich einig, dass diese Erwärmung vom Menschen verursacht wird. Vor allem Treibhausgase aus Industrie, Verkehr, Energieerzeugung und Landwirtschaft treiben die Temperaturen in die Höhe, sagt das Deutsche Klima-Konsortium. Ohne diesen Einfluss wären die aktuellen Entwicklungen nicht erklärbar. Das Deutsche Klima-Konsortium schreibt dazu: “Der Einfluss des Menschen hat die Atmosphäre nahe der Erdoberfläche in einem Maße erwärmt, wie es seit mindestens 2.000 Jahren nicht mehr der Fall war – und das in den letzten 50 Jahren mit einer beispiellosen Geschwindigkeit.”
Auch im Synthesebericht des Sechsten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen heißt es: “Menschliche Aktivitäten haben eindeutig die globale Erwärmung verursacht, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen.“
Laut einer Studie der Cornell University in New York kommen 99,9 Prozent aller Studien, die durch unabhängige Gutachter aus demselben Fachgebiet geprüft wurden ("peer-reviewed"), zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel menschengemacht ist.
- Wie belastbare Fakten zum menschengemachten Klimawandel entstehen, lesen Sie hier.
Keine Belege für 300.000 verschwundene Migrantenkinder
Trump sprach auch über Migration. Unter anderem sagte er, die Biden-Regierung habe 300.000 in die USA geflüchtete Kinder “verloren”, die nun nicht mehr auffindbar seien. Viele von ihnen seien, so Trump, vergewaltigt, missbraucht, ausgebeutet oder verkauft worden.
Diese Darstellung verzerrt jedoch offizielle Daten. Ein Bericht des Inspector General des US-Heimatschutzministeriums von August 2024 zeigt: Zwischen Oktober 2018 und September 2023 – also auch während Trumps eigener Amtszeit – erschienen rund 32.000 unbegleitete Kinder nicht zu ihren Gerichtsterminen. Außerdem erhielten 291.000 Kinder gar keine Vorladung.
Der Bericht betont zwar, dass Kinder, die nicht zu Gericht erscheinen, einem höheren Risiko für Ausbeutung, Menschenhandel oder Zwangsarbeit ausgesetzt sein können. Er nennt aber keine Zahlen zu tatsächlich verschwundenen, missbrauchten oder getöteten Kindern. Migrationsexperten erklärten gegenüber dem US-Faktencheck-Medium Politifact, die Darstellung Trumps sei irreführend.
Viele Kinder seien vermutlich nach wie vor an den hinterlegten Adressen auffindbar, hätten aber ihre Gerichtstermine verpasst, sagte auch Aaron Reichlin-Melnick gegenüber der BBC. Reichlin-Melnick ist Policy Director beim American Immigration Council, einer Organisation, die sich für Migranten einsetzt. Er sagt, dass diese Zahlen eher auf ein bürokratisches “Problem mit dem Papierkram” hindeuten als auf “etwas Ruchloses”.
Keine Scharia in London
In Bezug auf die Migrationspolitik europäischer Länder und die 300.000 Kinder sprach Trump von einer “globalistischen Migrationsagenda”. Die Terminologie erinnert an die rechtsextreme Verschwörungserzählung des “Großen Bevölkerungsaustauschs”. Darin wird behauptet, politische und wirtschaftliche Eliten würden gezielt die einheimische Bevölkerung Europas durch Migranten ersetzen wollen. Als Beispiel nannte Trump London und behauptete: Bürgermeister Sadiq Khan wolle die Scharia einführen.
Diese Behauptung ist falsch. Khan ist der erste muslimische Bürgermeister Londons und seit Jahren Ziel islamfeindlicher Angriffe und falscher Anschuldigungen. Die falsche Aussage, Khan wolle die Scharia einführen, kursiert seit Jahren — unter anderem auf Grundlage eines erfundenen Zitats. In einer Erklärung nach Trumps Rede sagte ein Sprecher von Khan: "Wir werden seine entsetzlichen und bigotten Äußerungen nicht mit einer Antwort würdigen."
Tatsächlich gibt es im Vereinigten Königreich zwar Debatten über die Rolle islamischer Scharia-Räte, auch in London. Diese arbeiten jedoch nur in begrenztem Rahmen innerhalb bestimmter Gemeinschaften und haben keine rechtliche Befugnisse, so Politifact. Sie befassen sich vor allem mit Familienstreitigkeiten oder Fragen wie islamischen Scheidungen, Schlichtung und Mediation. Britisches Recht ersetzen sie aber nicht.
Trump hat nicht sieben Kriege beendet
Trump behauptete in seiner Rede ebenso, er habe in seiner bisherigen zweiten Amtszeit bereits sieben Kriege beendet. Laut Trump waren das Kriege zwischen Kambodscha und Thailand, Kosovo und Serbien, Kongo und Ruanda, Pakistan und Indien, Israel und Iran, Ägypten und Äthiopien sowie Armenien und Aserbaidschan. Aber auch das ist größtenteils falsch.
Das liegt daran, dass zwei der von Trump genannten Konflikte keine Kriege sind. Ägypten und Äthiopien streiten sich zwar über einen äthiopischen Nil-Staudamm an der Grenze zum Sudan. Aber einen Krieg zwischen Ägypten und Äthiopien gab es nicht. Auch Serbien und Kosovo befinden sich in einem Konflikt, der an manchen Stellen auch gewalttätig war. Doch einen Krieg führen die Länder nicht gegeneinander.
Gemischter Erfolg als Friedensvermittler
Trumps Erfolg bei der Schlichtung der Konflikte, die tatsächlich Kriege waren oder sind, ist derweil durchwachsen. Beim Krieg zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda waren die Vereinigten Staaten waren zwar am Zustandekommen eines temporären Friedensabkommens beteiligt. Die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien halten einem CNN-Bericht zufolge aber bis heute an. Dem Uppsala Conflict Data Program zufolge starben allein im Juli 400 Menschen - nachdem das Friedensabkommen zustande kam.
Unklar ist, welche Rolle Trump beim Zustandekommen eines Waffenstillstands zwischen Indien und Pakistan im Mai spielte. Während Pakistan Trump für seine diplomatischen Interventionen lobte und sogar für den Friedensnobelpreis vorschlug, wurde Trumps Rolle von indischer Seite als weniger entscheidend bewertet.
Im Juni vermittelten die USA und Katar einen Waffenstillstand zwischen Iran und Israel nach einem zwölftägigen Krieg zwischen den Ländern. Kurze Zeit später bombardierten die USA selbst Urananreicherungsanlagen im Iran.
Ende Juli vermittelte Malaysia eine Waffenruhe zwischen Thailand und Kambodscha. Zuvor hatte es einen fünftägigen militärischen Grenzkonflikt gegeben, der 40 Tote und Hunderte Verletzte forderte. Der Waffenruhe war vorangegangen, dass Donald Trump Bangkok und Kambodscha mit Exportzöllen gedroht hatte. Doch das Abkommen gilt als fragil, bereits kurze Zeit nachdem es geschlossen wurde, warf Thailand Kambodscha vor, es gebrochen zu haben.
Trump vermittelte Anfang August auch eine Friedensvereinbarung zwischen Aserbaidschan und Armenien. Richard Giragosian, Direktor des Regional Studies Centre, eines unabhängigen Think-Tanks aus Armenien, wertete diese Vereinbarung auf Foreign Policy als unvollständig, aber als einen Fortschritt.
Fazit
Trumps Rede bei der UN-Vollversammlung enthielt mehrere falsche Aussagen. So bezeichnete er den Klimawandel als "Betrug", obwohl Forschung und Daten belegen, dass die Erde sich erwärmt. Die Behauptung, die US-Regierung habe 300.000 geflüchtete Kinder “verloren”, basiert wohl auf einer Fehldarstellung von Verwaltungsdaten. Auch ist falsch, dass Deutschland wieder in die Atomkraft eingestiegen sei.
Für Trumps Anspielungen auf eine “globalistische Migrationsagenda” und die falsche Behauptung, Londons Bürgermeister wolle die Scharia einführen, gibt es ebenfalls keine Belege. Seine Aussagen über seinen Erfolg als Friedensvermittler sind nicht korrekt: Viele der angeblich beendeten Kriege dauern weiter an oder waren gar keine Kriege.
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