Jessica von Bredow-Werndl ist eine der erfolgreichsten Dressurreiterinnen der Welt, gemeinsam mit ihrer Stute Dalera hat sie vier Mal Gold bei Olympischen Spielen gewonnen. Außenstehende kennen die Rosenheimerin grazil über das Dressurviereck schwebend, sie kennen Jessica von Bredow-Werndl aus der oft glamourös-anmutenden Reitsport-Szene und von Fotos, auf denen sie ihre Goldmedaillen präsentiert.
Jessica von Bredow-Werndl litt an Post-Olympia-Blues
Im BR24Sport-Podcast "Pizza & Pommes" spricht Bredow-Werndl nun auch offen über die Schattenseiten des Erfolgs, die Kehrseite der Medaille. "Nach Tokio bin ich in ein Loch gefallen", sagt die 39-Jährige. Sechs Monate habe diese Phase gedauert, die in der Fachsprache auch "Post-Olympia-Blues" genannt wird.
Zur preisgekrönten Doku: Jessica von Bredow-Werndl · Zwischen Familie und Olympia-Gold
Auf Olympische Spiele, auf die Sportler Jahre lang hintrainieren, kann ein emotionales Loch folgen. Symptome sind Müdigkeit, Antriebslosigkeit und depressive Verstimmungen. Jessica von Bredow-Werndl sagt bei "Pizza & Pommes": "Klar, das ist der Lebenstraum von so vielen Sportlern, dass sie das einmal in ihrem Leben erreichen dürfen. Und: What’s next? Da ist egal, ob du eine Medaille gewonnen oder daran teilgenommen hast."
Ehrliche Kommunikation als Schlüssel
Jessica von Bredow-Werndl hat sich nach den Spielen in Tokio "von Tag zu Tag gekämpft".
"Ich glaube durch diese emotionale Erschöpfung, bin ich in diese totale körperliche Erschöpfung gekommen. Ich hatte dann auch noch einen Abgang. Ich war nach Tokio gleich schwanger, das kam natürlich auch noch dazu. Das war ziemlich viel. Und als ich dann aus dieser Leere wieder Anlauf nehmen konnte und wieder Energie zur Verfügung war, da kam dann auch wieder die Inspiration."
In dieser Zeit wurde von Bredow-Werndl erneut bewusst, wie essenziell ehrliche Kommunikation ist: "Wir kommunizieren in Energie. Wir wollen die Pferde durch die positive Verstärkung für das, was wir tun, begeistern." Bei Pferden wie auch bei Menschen muss Kommunikation auf Ehrlichkeit basieren:
Ehrlich kommunizieren. Mein Lieblingswort ist wahrhaftig, einfach echt. Wenn wir das schaffen und uns gleichzeitig selbst in Hintern treten können und wissen, dass unser Gegenüber uns oft spiegelt, dass wir den Fehler nicht bei den anderen suchen, sondern erstmal bei uns selbst, dann kommen wir schon mal einen großen Schritt weiter.
Familie, Coaches und Natur halfen Bredow-Werndl aus dem Loch
Rückblickend sagt sie: "Diese sechs Monate, das waren eine heftige Zeit." Depressiv sei sie nicht gewesen, "aber ich hatte so Momente, wo ich dachte: 'Okay, so muss es sich in etwa anfühlen." Von Bredow-Werndl habe die schwierige Zeit aber akzeptiert: "Das Schöne an der ganzen Leere war, dass ich sie angenommen habe. Ich habe nicht angekämpft, ich habe sie akzeptiert."
Am Ende fand die 39-Jährige einen Weg, um aus dem Tiefpunkt herauszukommen. "Ich war viel ausreiten und viel draußen in der Natur, die einem auch viel Kraft gibt: Berge, Wandern." Auch ihr persönliches Umfeld habe ihr in dieser Zeit Kraft gegeben: "Meine Familie, mein Kind haben mir da auch rausgeholfen - meinem Kind war es egal, ob ich Erste oder Letzte werde in Tokio." Durch ihr Umfeld, durch ehrliche Kommunikation und ein ständiges Weiterarbeiten an sich selbst, ging es erst richtig gut.
Überwunden hat sie diese Zeit auch dank ihrer Coaches. Seit 2016 arbeitet sie etwa mit Felix Gottwald, dem ehemaligen österreichischen Nordischen Kombinierer und 18-fachen Olympia-Medaillengewinner. Auch einer spirituellen Coachin öffnete sich die Dressurreiterin.
Mit neuem Zweck in die Zukunft
Von Bredow-Werndl brauchte erst wieder einen "Purpose", einen Zweck, wie sie sagt. "Ich habe mir wieder ein Ziel gesteckt und habe mir überlegt: 'Whats next?'" Ihr Ziel sei nicht, Olympia-Siegerin zu werden, "sondern in diesem Sport zu zeigen, dass die absolute Liebe zum Pferd und der Spitzensport Hand in Hand gehen können."
Angestachelt von diesem Ziel, der Liebe zu ihren Pferden und zum Reitsport, hat Jessica von Bredow-Werndl die schwierige Zeit hinter sich gelassen. Schon nach den Spielen in Paris, bei denen sie erneut zwei mal Gold gewinnen konnte, habe sie einen besseren Umgang mit großen Erfolgen gefunden: "Und das ist nur deswegen gelungen, weil ich das einmal mit all meinen Sinnen erleben lassen habe."