Sie nennen sich "Klimaschutzverträge": Mit insgesamt bis zu 2,8 Milliarden Euro fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) besonders energieintensive Industrieunternehmen in Deutschland. Die Bedingung: die Umstellung auf eine möglichst CO₂-arme Produktion.
Am Dienstag, den 15. Oktober, überreichte Bundesminister Robert Habeck von den Grünen diese Klimaschutzverträge und damit verbundene staatliche Förderzusagen an fünfzehn Unternehmen. Dadurch werden laut Ministerium die Unternehmen zum Beispiel "gegen Preisrisiken (etwa von Wasserstoff oder CO₂-Zertifikaten) abgesichert und Mehrkosten werden ausgeglichen".
Söder behauptet: Bayern würde leer ausgehen
Am Tag nach der Vergabe dieser Förderverträge postete der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf X: "Typisch: Wieder eine klare #Benachteiligung Bayerns. Während andere Regionen Milliarden bekommen, geht #Bayern leer aus." Söder behauptet, von den 2,8 Milliarden Fördersumme kämen "0 Euro" im Freistaat an.
Der Ministerpräsident stellt die Beschuldigung auf: "Die Grünen benachteiligen Bayern aus Prinzip." Söder verlinkt außerdem einen Artikel des Spiegel. Darin werden frühere Vorwürfe Söders gegen die Grünen zitiert und auch formuliert, dass der "Freistaat vorerst leer ausgeht".
Bayerische Unternehmen bei Förderprojekten involviert
Für eine parteipolitisch motivierte Benachteiligung Bayerns gibt es keine Belege. Es wurde laut Bundesministerium nur eine Bewerbung aus Bayern abgelehnt, die die formellen Vorgaben nicht einhielt.
Zwei andere bayerische Unternehmen sind an den Klimaschutzverträgen zumindest indirekt beteiligt: Die geförderten Fabriken gehören ihnen, stehen aber in Sachsen. Dass das Land Bayern bei der Förderung leer ausgeht, ist somit nicht völlig aus der Luft gegriffen. Allerdings erhielten auch acht andere Bundesländer keine direkten Fördergelder.
Bereits in Antworten auf den Tweet wird Söder vorgeworfen, nicht die Wahrheit zu sagen. Am Tag der Überreichung der Klimaschutzverträge berichtete der Bayerische Rundfunk online, dass unter den geförderten Unternehmen auch ein fränkischer Verpackungshersteller ist. Die Schumacher Packaging Gruppe, mit Sitz im oberfränkischen Ebersdorf bei Coburg, kam auch im Fernsehbeitrag von BR24 zur Förderung vor. Es geht um bis zu 51,8 Millionen Euro Förderung - wenn das Unternehmen die Klimaschutzvorgaben tatsächlich umsetzt.
Fabrik in Sachsen, fränkische Unternehmensgruppe
Was an Söders Aussage korrekt ist: Das Fördergeld fließt zuerst nicht nach Bayern. Denn das Werk, mit dem sich Schumacher Packaging beworben hatte, liegt im sächsischen Schwarzenberg, die Betreiberfirma hat ihren Sitz ebenfalls in Schwarzenberg. Da die CO₂-Einsparung dort stattfindet, wird das geförderte Projekt dem Bundesland Sachsen zugeschrieben.
Allerdings ist der Hauptsitz der Unternehmensgruppe Ebersdorf in Oberfranken. Die sächsische Schumacher-Firma hat zum Beispiel einen "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" mit einem anderen Schumacher-Unternehmen, das in Ebersdorf sitzt: Der Schumacher Holding GmbH. Das kann man im Handelsregister nachlesen. Das heißt vereinfacht, dass das bayerische Unternehmen das Sagen hat und den Gewinn erhält.
Im aktuellsten öffentlich einsehbaren Jahresabschluss (2021) der sächsischen Schumacher-Firma ist die Schumacher Holding GmbH außerdem als "Alleingesellschafterin" ausgewiesen. Das heißt: Der bayerischen Schumacher Holding GmbH gehörte das sächsische Schumacher-Unternehmen zu diesem Zeitpunkt komplett. Es gab seither auch keine Änderungen im Handelsregister bei den Eigentümern. Ein bayerisches Unternehmen ist also zumindest Endempfänger der Bundesförderung.
Fall 2: Werk in Sachsen, Unternehmen in Niederbayern
Ganz ähnlich gestaltet sich der zweite Fall mit blau-weißer Beteiligung. Auf einer Internetseite des BMWK sind die fünfzehn Unternehmen aufgelistet, die einen Zuschlag für eine Förderung bekommen haben. Bis zu 57,4 Millionen Euro könnten nach St. Egidien im sächsischen Erzgebirge fließen.
Dort betreibt die Knauf Insulation Operation GmbH ein Werk, in dem der Dämmstoff Steinwolle hergestellt wird. Sitz des Unternehmens ist das niederbayerische Simbach am Inn, was man im Handelsregister nachlesen kann.
Ministerium: Bundesland spielt bei Vergabe keine Rolle
Zur Anschuldigung, Bayern wurde bei der Verteilung benachteiligt, schreibt das BMWK auf #Faktenfuchs-Anfrage: "Das Bundesland, in dem ein Unternehmen seinen Sitz hat oder in dem ein geförderter Standort liegt, spielt keine Rolle. Das wäre auch rechtlich gar nicht zulässig."
Voraussetzung für einen Klimaschutzvertrag sei lediglich, dass der Produktionsstandort in Deutschland liege. Neben Bayern gibt es außerdem noch acht weitere Bundesländer, in die kein Fördergeld fließt, schreibt das Klimaschutzministerium: "Das ist die Mehrzahl der Bundesländer".
Fast alle Bewerbungen wurden angenommen
Außerdem verweist das Ministerium darauf, dass sich in der ersten Förderungsrunde nur 17 Unternehmen beworben haben. Von den zwei abgelehnten Förderanträgen kam einer aus Bayern. Der Grund für den Negativbescheid nach Bayern laut dem Ministerium: Der vom Unternehmen anvisierte Förderbetrag war zu hoch.
Pro eingesparter Tonne CO₂ gibt es nämlich maximal 600 Euro Förderung, schreibt das Ministerium. Der abgelehnte Antrag wurde mit Summen eingereicht, die "zu einem Ausschluss von der ersten Gebotsrunde geführt haben".
Neben diesem einen Projekt wurden also keine weiteren bayerischen Bewerbungen abgelehnt. Darüber hinaus haben bayerische Unternehmen in der zweiten Förderrunde noch die Gelegenheit, Fördergelder über die Klimaschutzverträge zu erhalten. Das BMWK schreibt, die zweite Runde "wird sowohl mit Blick auf die Anzahl der Projekte als auch das maximale Gesamtfördervolumen größer ausfallen. Rund 130 Unternehmen haben Projekte im vorbereitenden Verfahren eingereicht und können somit an der zweiten Gebotsrunde teilnehmen."
Das Fazit
15 Unternehmen erhalten über die sogenannten Klimaschutzverträge Fördergelder vom Bund für eine klimafreundlichere Produktion. Neun Bundesländer haben keine Standorte, die das Bundesklimaministerium fördert. In zwei Fällen fördert es Produktionsstandorte in Sachsen, die bayerischen Unternehmen gehören.
Darüber hinaus wurde ein bayerisches Projekt abgelehnt, weil die Fördersumme den Maximalförderbetrag überstiegen hätte. Für die Beschuldigung von Markus Söder, die Grünen würden Bayern absichtlich benachteiligen, gibt es keinerlei Belege.
Quellen
Anfrage an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
Handelsregister-Eintrag Schumacher Packaging GmbH Schwarzenberg/Erzgeb. (HRB 12799)
Handelsregister-Eintrag Schumacher Holding GmbH (HRB 6601)
Handelsregister-Eintrag Knauf Insulation Operation GmbH (HRB 3935)
Jahresabschluss Geschäftsjahr 2021 Schumacher Packaging GmbH Schwarzenberg/Erzgeb.
Artikel/Veröffentlichungen
Bayerischer Rundfunk: Neue Förderung für mehr Klimaschutz: Fragen und Antworten
Bundesministerium der Justiz: Aktiengesetz §291 Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Habeck überreicht Klimaschutzverträge
Knauf: Das Werk St. Egidien
Schumacher Packaging: Unternehmen
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